Die alte Glockengießerei
Das atmet Geschichte ………..wie aus Zinn und Kupfer Töne werden.
Ich war 1954 mit Pfarrer Kern und meiner Freundin Gudrun Becker und anderen Albigern in Sinn im Westerwald in einer alten Glockengießerei, die eine sehr lange Tradition hatte.
Wir durften erleben, wie unsere Albiger Kirchenglocken gegossen wurden. Unsere alten Glocken waren im 2. Weltkrieg beschlagnahmt und eingeschmolzen worden. Es bleibt uns nur noch die sehr alte Glocke, „Osanna“ genannt. Sie stammt aus dem Jahr 1380 und ist inzwischen 640 Jahre alt und läutet noch heute täglich zu profanen Zwecken um 11 Uhr, um 1.00 Uhr und zum Feierabend um 18.00 Uhr. Mit den anderen drei neuen Glocken erklingt sie zum Kirchgang und an hohen kirchlichen Feiertagen.
Glocken werden hergestellt durch gießen flüssiger Metalle in eine Form. In den Boden wird eine Grube gegraben und aus Lehm, Wasser, Stroh und Kälberhaaren entsteht die Form, fest gemauert in der Erde. Friedrich Schiller beschreibt im „Lied von der Glocke“ den Guss sehr deutlich. Die äußere Form nennt man Mantel. Das Gussmaterial ist meistens Zinn und Kupfer. Der hohle Glockenkern und die sog. Rippe bestimmen später die ebenmäßige Form und den Klang der Glocke.
Es kommt Feuer unter die Lehmglocke, denn der Lehm muss trocknen. Danach wird der Mantel abgehoben, die falsche Glocke zerschlagen und der Mantel wieder aufgesetzt. Zwischen Mantel und Kern ist ein Hohlraum. Man verfüllt die Grube in der die Glockenformen stehen mit Erde und beschwert mit tonnenschweren Gewichten, damit die Glocken dem Druck der beim gießen entsteht, standhalten. Es folgt der Guss. Das über 1000 Grad heiße Metall fließt durch Rinnen in die Form.
Die Glocken zeigen uns, wie vergänglich alles ist. „Tausend Jahre sind vor dir, wie ein Tag“ (Psalm 92)
Meist hält eine Glocke für die Ewigkeit. 300 bis 400 jährige Glocken sind keine Seltenheit. Für uns Albiger war der Guss unserer Glocken ein besonderer Tag. Denn da Glocken viele Jahrhunderte alt werden, erleben nur wenige Menschen einen Glockenguss. Es war das Schicksal so vieler Glocken, dass man sie in Kriegszeiten zu Waffen einschmolz. Das geschah auch mit unseren Kirchenglocken. Und so durfte ich miterleben, wie unser neues Geläut gegossen wurde.
Im Jahr 1974 erlebte meine Tochter Anke als Kindergartenkind die Neuvergoldung des Kirchturmhahns. In einer kleinen Feierstunde sangen die Kinder des Kindergartens dem goldenen Hahn ein Liedchen, als er wieder auf seinen alten Platz hoch oben auf des Turmes Spitze kam.
Das Glockengießen ist ein altes Handwerk. Und ein Glockengießer muss meist ein sehr erfahrener Mann sein. Monatelang hat er viel Arbeit mit dem Glockenguss. Erst wenn der erste Ton erklingt, weiß er, ob sich all seine Mühe gelohnt hat. Unsere Albiger Glocken haben eine unverwechselbare Klangfarbe. Die Ankunft der neuen Glocken wurde von den Albigern im Jahr 1954 freudig begrüßt. Hannes Völker und mein Bruder Manfred (damals 14 Jahre) fuhren die neuen Glocken auf dem feierlich geschmückten Wagen und mit unseren Pferden Herta und Sieglinde durch Albigs Gassen. Auch ich erlebte dann, wie die Glocken bis hoch in den Turm in die Glockenstube gezogen wurden. Groß war die Anteilnahme der Bevölkerung.
Man läutete früher die Glocken mit dicken Seilen. Manchmal waren es die Konfirmanden, die an den Seilen hingen und die Glocken bimmeln ließen. Heute läutet man die Glocken motorisch und mit Strom.
Als die neuen Glocken am Kirchturm hochgezogen wurden, zelebrierte unser damaliger Pfarrer Heinrich Kern, der mich auch konfirmierte, in einer feierlichen Ansprache die Glockenweihe. Wir alle sangen die schönen Lieder aus unserem Gesangbuch: „Nun danket alle Gott“ und „Großer Gott, wir loben dich“. Zum ersten Mal war das Geläut vereint und überm Dorf erklangen hoch oben vom Kirchturm unsere Glocken und fast schien eine geheimnisvolle Wirkung davon auszugehen. Manche fragten sich im stillen: Wer wird wohl das erste Paar sein, für das der Klang der neuen Glocken ertönt? Die drei neuen Glocken haben die Tonlage F1, B1, DES2 (Angaben der Gießerei)
Sie läuten zum sonntäglichen Gottesdienst, für glückliche Hochzeitspaare, für Täuflinge und Konfirmanden; aber auch unsere Verstorbenen begleiten sie mit ihrem Klang auf dem letzten Weg.
Gisela Rauch