Karl Knobloch (geb. am 28. März 1924) hat sich um die Dokumentation der
Geschichte von Albig und der Kirchengeschichte große Verdienste
erworben. Seine Motivation zur Dokumentation, auch von volkskundlichen
Themen, die detaillierten Kenntnisse über „Land und Leute“, Intellekt,
Wissensdurst und Neugier, ein umfassendes Archiv und nicht zuletzt eine
große und umfängliche Liebe zu seinem Dorf, haben zu wahrhaftigen und
vielschichtigen Ausarbeitungen geführt.
Seine Ausarbeitungen sind
frei von Spekulationen und anekdotischen Aussagen. Fakten sind
nachprüfbar belegt. Bis heute wissen das die Bürgerinnen und Bürger mit
großer Hochachtung zu schätzen. Bei wichtigen Jubiläen der örtlichen
Vereine und der evangelischen Kirchengemeinde hat er immer wesentliche
Teile der Geschichte und Chroniken der jeweiligen Institution neu
verfasst, bearbeitet oder fortgeschrieben. Zuletzt hat Karl Knobloch
sein heimatkundliches Engagement für die geplante Herausgabe einer
Ortschronik eingesetzt. Am 26. Januar 2006 ist Karl Knobloch verstorben.
Aus
dem Nachlass werden jetzt mit ausdrücklicher Zustimmung von Käte
Knobloch und der Familie, die Ausarbeitungen nach und nach auf der
Website der Gemeinde Albig veröffentlicht. Die Vor-Veröffentlichung in
diesem „ neuen Medium“ wäre sicher ganz im Sinne von Karl Knobloch,
werden doch so wichtige und wertvolle Beiträge einem breiten Publikum
jederzeit leicht zugänglich. Damit werden sicher auch jüngere
Bevölkerungsschichten erreicht und der „Werkstolz“ auf die
Heimatgemeinde Albig erhöht. Diese Identitätsstiftung und Beschäftigung
mit Geschichte und Volkskunde wäre ebenfalls sicher ganz im Sinne von
Karl Knobloch.
Alle Albigerinnen und Albiger erinnern sich bei
der Lektüre der Beiträge mit großer Hochachtung und Dankbarkeit an Karl
Knobloch und wir danken Käte Knobloch für die Zustimmung zur
Veröffentlichung der Aufsätze auf der Website der Gemeinde.
Günther Trautwein
Ortsbürgermeister
(von 1992 bis 2019)
In einem Aufsatz liefert Karl Knobloch für den Riegelplatz eine Rückschau über 6 Jahrzehnte hinweg bis zur jüngeren Gegenwart im Jahr 2004. Die Anwohner und die Funktion des Platzes werden detailliert und kenntnisreich beschrieben.
Der Riegelplatz im süd-östlichen Bereich unseres Ortes ist seit alters her ein Knotenpunkt im dörflichen Verkehr. Es treffen sich dort mehrere Straßen und Wege: Bachgasse, Wassergasse, Riegelstraße, Wiesenweg, Mittelweg und Im Vogelgesang.
Seinen Namen hat er sicherlich von dem „Riegel“ der dort bereits im Mittelalter den Ortsbereich von der Gemarkung trennte; eine Art Durchlass durch den Bannzaun.
Was spielte sich in den vergangenen Jahrzehnten auf diesem Platz nicht alles ab? Betrachten wir zunächst einmal die Anrainer des Platzes:
Karl Metz, der früher lange für das Sammeln der Milch in Albig zuständig war, betrat wohl als erster zu früher Morgenstunde den Platz, um mit seinem großen Handwagen sein Geschäft auszuüben. Die von ihm eingesammelte Milch brachte er dann zur Bahn, von wo aus sie zur Molkerei Hill nach Armsheim befördert wurde.
Die Weinmänner Betzel (Junior und Senior) sowie Schray (ebenfalls Junior und Senior) werden sich über den Platz zu ihren Wirkungsstätten in den Albiger Weinbergen begeben haben.
Die Landwirte Ludwig Ehrenhardt und Philipp Knobloch werden ihre Kuh-Fuhrwerke gerüstet haben, um in der Gemarkung ihre Felder und Weinberge zu bearbeiten und ihre Ernte einzubringen.
Der Winzer Jakob Koch wird den Platz überqueren, um seinen Bienenstand und seine Weinberge am Ortsrand zu betreuen. Er war eine sachverständiger Landwirt und Winzer, der bis ins hohe Alter (mehr als 90 Jahre) beruflich noch aktiv war.
Nikolaus Becker machte sich in seinem wohl ältesten kleinen Wohnhaus in Albig fertig, um zu Fuß die ca. 4 km entfernte Landes-, Heil- und Pflegeanstalt in Alzey zu erreichen, wo er als Schneider sein Brot verdiente. Wieviel Kilometer hat er wohl in seinem Arbeitsleben per pedes zurück gelegt ? Sein Sohn Heinrich Becker packte in dem Vorderhaus frühzeitig seine Gerätschaften und Werkzeuge zusammen, um als Tüncher (im Sommer) oder als Hausmetzger in den anderen Jahreszeiten im Ortsbereich tätig zu sein. Leider ist Heinrich Becker aus dem Krieg 1939-1945 nicht mehr zu seiner Familie zurückgekehrt.
Interessant geht es zu, wenn die Albiger Gänsehalter, insbesondere in der Untergasse, ihrem Federvieh die Tore öffnen, damit es mit Geschnatter selbst den Weg zum Riegelplatz findet, an dem es sich wegen der offenen Stelle im Lauf des Heimersheimer Baches, der den Platz quert, tagsüber aufhält. Einige Halter besitzen auch ein männliches Tier (einen Gansert), der den Tagesausflug mitmachen und auf dem Riegelplatz querbeet dafür sorgen darf, dass die Gänseeier befruchtet werden und der Nachwuchs nicht ausbleibt.
Im Laufe des Vormittags geht Fräulein Grün, die Hauswirtschafterin der Familie Ehrenhardt mit ihrem Einkaufskorb in den benachbarten Krämerladen Sperb, um die letzten Zutaten für das Mittagessen einzukaufen. Fräulein Grün war eine vorzügliche Köchin, die lange Jahre in dem renommierten Wiesbadener Hotel „Zum Schwarzen Bock“ tätig war und jetzt wegen Erkrankung von Frau Ehrenhardt deren Haushalt versorgte. (Die unverheiratete Dame legte damals großen Wert darauf, mit „Fräulein“ angesprochen zu werden).
Auf dem Riegelplatz hatte man in den 30er Jahren eine „Spritzbrühanlage“ errichtet. Dort rührte Heinrich Betzel für alle Albiger Winzer die Spritzbrühe zur Schädlingsbekämpfung in den Weinbergen an. Dass er die Spritzbrühe zu dünn angemacht habe, bestritt Heinrich Betzel immer. Diese Anlage ist längst abgerissen.
Wasser war auf dem Riegelplatz früher und ist auch jetzt noch vorhanden. Ehedem stand dort eine eiserne Schwengelpumpe; jetzt läuft aus einem von Hermann Schollenberger gestalteten Sandstein- Brunnen ständig ein Wasserstrahl, gespeist aus der alten Quelle unterhalb des Sumborn.
Auf dem Riegelplatz hatte auch der Gemeinde- und Polizeidiener Jakob Wickenhöfer seinen Platz zum Ausschellen. Der stimmgewaltige und auch trinkfeste Jakob Wickenhöfer begann beim Ausschellen immer mit den Worten „es wird bekannt gemacht“. Er hatte den Bürgern dann die aktuellen Steuertermine, Vereinsnachrichten sowie Hinweise der Gemeinde und des Kreises zu vermitteln, was ihm immer bestens gelang. Wegen seiner Hilfsbereitschaft war er bei den Albiger Bürgern sehr beliebt.
Auf dem Riegelplatz lagerten auch zeitweise Steine aus der Gemarkung und den Albiger Steinbrüchen, die im Winter klein geklopft wurden, um sie dann für die Ausbesserung ausgefahrener Feldwege zu verwenden.
Auf dem Riegelplatz -unmittelbar vor dem Anwesen Betzel- stand über lange Jahre ein Effenbaum mit einem dicken Stamm, der Schatten spendete. Eines Tages musste er jedoch wegen kranker Teile beseitigt werden.
Heute ist das Geschnatter der Gänse auf dem Riegelplatz nicht mehr zu vernehmen. Dafür kann man auf dem Platz parkende Autos entdecken und auch ein kleiner Spielplatz ermöglicht den Kindern dort zu spielen.
Ganz besonders lebhaft geht es jetzt auf dem Riegelplatz einmal im Sommer zu, wenn die Albiger Chorgemeinschaft, ein gemischter Chor, dort sein „Riegelplatzfest“ abhält. Dazu werden meist mehrere Chöre der Nachbarschaft eingeladen, die bei gutem Essen und Albiger Wein Proben ihres gesanglichen Könnens abgeben und dabei einen sachkundigen Zuhörerkreis haben.
Vortrag von Karl Knobloch, bearbeitet von Günther Trautwein im April 2013
„Wir alle haben nahe und ferne Verwandte an unserem Wohnort, sowie in unserer engeren und weiteren Umgebung. Soweit wir der ehemals kurpfälzischen Region entstammen, zu der ja unser Rheinhessen bis zur französischen Revolution gehörte, kann gesagt werden, dass fast jede Familie - oft ohne dass dies jetzt noch bekannt ist - Verwandte auch in Amerika hat, im Norden und im Süden.
Seit mehr als 300 Jahren haben immer wieder Menschen aus der Pfalz und dem übrigen Süd-Westdeutschen Raum, ihre alte Heimat verlassen und sind überwiegend nach den USA, nach Brasilien, aber auch nach Süd-Ost-Europa und Russland ausgewandert.
Es befassen sich jetzt viele Historiker und Forscher recht intensiv mit dem Kapitel „Auswanderung“ und insbesondere mit den Gründen für bestimmte Auswanderungswellen. Über die Forschungsergebnisse, die in zahlreichen Veröffentlichungen und Büchern festgehalten sind, kann sich der Interessierte recht gut informieren. Es waren recht unterschiedliche Ursachen, die zu diesem schicksalhaften Entschluss geführt haben. Lassen sie mich einige beispielhaft aufzählen:
Hungersnot, Preissteigerungen, obrigkeitliche Bedrängnisse, die Last staatlicher Abgaben, aber auch die Sehnsucht nach freier Lebensgestaltung in Politik, Gesellschaft und Religion. Man kann es in knapper Weise ausdrücken: Es waren soziale, wirtschaftliche, religiöse und politische Fakten, die bei bäuerlichen Kleinbesitzern, Handwerkern und Handarbeitern den Aufbruch in eine ungewisse Zukunft auslösten.
Wegen der allgemeinen Erinnerung an die ersten Einwanderer aus Deutschland vor 300 Jahren und angeregt durch eine bestimmte Fernsehserie, bemühen sich seit Jahren zahlreiche Amerikaner darum, zu erfahren, wer ihre Vorfahren waren, woher sie kamen und ganz besonders Interessierte wollen sogar herausfinden, auf welchem Wege und mit welchem Schiff sie über das „große Wasser“ fuhren. Bei Standesämtern und Pfarrämtern gehen daher oft Anfragen mit der Bitte ein, die entsprechenden Daten und wenn möglich die passenden Urkunden zu liefern, um dadurch die eigene Identität zu belegen. Derartige Anfragen sind auch der Grund gewesen, mich mit der damit zusammenhängenden Familienforschung zu beschäftigen.
Lassen Sie mich nun zunächst einige ganz allgemeine Ausführungen machen und anschließend über Albiger Auswanderer berichten. Es ist gesichertes Forschungsergebnis, dass im Oktober 1683, also vor mehr als 300 Jahren die ersten Deutschen, es waren 13 Familien aus Krefeld, im Hafen von Philadelphia (USA) eingetroffen sind und die Stadt Germantown gegründet haben. Ihr Segelschiff hieß „Concord“. Dieses 300-jährige Jubiläum wurde – wie uns sicherlich noch bekannt ist – in den Staaten gebührend gefeiert.
Die jeweiligen Landesherren und Regierungen in unseren Ländern wollten natürlich in allen Epochen die Auswanderungsbewegungen im Griff behalten. Sie erließen Verordnungen, nach denen sich die Auswanderungswilligen richten sollten. Insbesondere wollten sie die Ausreise zuvor erst genehmigen. Wie wir später noch hören werden, hielten sich die betreffenden Personen nicht immer daran. Lassen Sie mich beispielhaft einen Text wiedergeben, der darüber in dem Buch „150 Jahre Kreis Alzey-Worms“ enthalten ist:
Ein Schreiben des Bürgermeisters von Albig an den Kreisrat vom 18. März 1844: „Ihrer eingegangenen Verfügung zufolge beehre ich mich, Euer Hochwohlgeboren die ergebenste Anzeige zu machen, dass allem Anschein und Wahrnehmen nach im Laufe dieses Frühjahrs zwei Familien von hier, die des Philipp Seib und jene des Johann Fuchs Albig verlassen und nach Nordamerika überziehen wollen. Johann Fuchs ist schon vorigen Jahrs von hier weg und will nun dieses Jahr seine Angehörigen zu sich kommen lassen. In dem ich mich beehre, dies Euer Hochwohlgeboren zur beliebigen weiteren Amtshandlung anzuzeigen, glaube ich noch anfügen zu müssen, dass ich nicht glaube, dass eine von diesen Familien die Absicht hat, einen ihrer etwaigen Gläubiger zu hintergehen.“
Dass es auch in Albig Auswanderer mit Genehmigung und solche ohne Genehmigung gab, kann ich aus zwei Unterlagen aus dem Gemeindearchiv belegen:
Im Jahre 1851 sind in einem Verzeichnis der Gemeinde 5 junge Männer enthalten, die mit Genehmigung ausgewandert sind; Alter 18-20 Jahre
In den Jahren 1853-1855 sind dagegen laut einer Meldung der Gemeinde vom 8. Mai 1856 26 Bürger ohne Genehmigung ausgewandert.
Wie eine solche Genehmigung ausgesehen hat, können wir aus der Urkunde ersehen, die das Grossherzogliche Kreisamt Alzey 1854 für den Mäkler Bernhard Fitting ausgestellt hat.
Ebenso aus der Abschrift für Georg Mertens, ausgestellt 1852 von der Grossherzoglichen Regierungskommission des Regierungsbezirks Worms.
Die Reise nach Amerika wurde von den Atlantikhäfen Le Havre, Antwerpen und Amsterdam, oder von den Nordsee-Häfen Bremen und Hamburg aus angetreten. Zunächst waren es Segelschiffe, später dann Dampfschiffe die benutzt wurden. Es gab im 19.Jahrhundert regelrechte Auswanderungsagenturen.
Auch aus Albig sind in diesen Jahren viele Bürger nach den USA
ausgewandert. Laut einer Auswanderungsliste, die sich im Gemeindearchiv
bei der VG Alzey-Land befindet, sind es allein im Jahr 1823 = 35
Personen gewesen. Die Einwohnerzahl betrug damals etwa 900 Personen; es
haben demnach rd. 4 % der Einwohner Albig verlassen.
Lassen Sie
mich nun einiges über Albiger Auswandererfamilien berichten, was ich an
verschiedenen Stellen hierüber entdeckt oder gesammelt, sowie von
Bürgern unserer Gemeinde erfahren habe.
In einer Lutherbibel aus dem Jahr 1723, die sich seit 1748 im Besitz der Familie Bernhard befindet, ist eingetragen, dass Philipp Bernhard „am 13. April 1843 auf den grünen Donnerstag um 12.00 Uhr vormittags zu Bingen mit dem Dampfschiff abgereist ist nach Antwerpen“. Im Jahr 1852 besuchte ihn sein Vater, der Sattler Valentin Bernhard. Seine Überfahrt dauerte vom 16. März bis 28. April und am 23. Juli war er wieder zurück. (Festschrift von Albig 1967).
Es sollte zunächst erwähnt werden, über welch gut geführte Kirchenbücher die evangelische Kirchengemeinde Albig verfügt, die deshalb dem Familienforscher immer wieder nützlich sein können. In den sinnvoll angelegten Familienregister, das die Daten der einzelnen Familienmitglieder enthält, sind oft wertvolle Hinweise enthalten. So geht aus dem Eintrag für die Familie Christian Melchior Best (geb. 1819) und Elisabeth Steinbach (geb. 1820) hervor, dass von ihren sieben Kindern alleine fünf nach Amerika ausgewandert sind. Die Familie Best feierte am 29. Mai 1895 in würdigem Rahmen ihre Goldene Hochzeit. Zu dieser Feierlichkeit war übrigens einer der Auswanderer nach Albig gekommen. Die örtliche Tageszeitung berichtet darüber.
Recht interessant ist auch, was über den Auswanderer Johannes Blos (geb. 1799) von Beruf Ziegler, der sein Glück in Brasilien versuchte, bekannt wurde. Die Überfahrt mit dem Schiff ab Amsterdam bis Rio de Janeiro im Jahre 1825 dauerte 75 Tage. Pfarrer Becker hatte über die Familie Blos in seinem Gemeindeblatt 1938 ausführlich berichtet. Anlass war ihm damals die Tatsache, dass ein Mitglied der Familie aus Brasilien Albig besuchte. Nach diesen Veröffentlichungen gehörten die Auswanderer Blos zu den ersten deutschen Einwanderern in Brasilien. Die Familie Blos hatte in „Campo Bom“ (was soviel heißt wie „gutes Land“) ihr Ziegelei-Gewerbe wieder ausgeübt und es dabei zu Wohlstand und Ansehen gebracht. 1938 beschäftigten sie 250 Arbeiter; man sprach dort noch Deutsch in unserer Mundart. Es gab damals im deutschen Siedlungsgebiet noch etwa 40 Familien mit dem Namen Blos. Auch in der dortigen evangelischen Kirche sei noch auf Deutsch gepredigt worden; in ihr war folgender Spruch angeschrieben:
„Was der Väter Fleiss gesät Gutes Land in Segen steht, reich lohnt Gotteshuld, dem der Frucht bringt in Geduld !“
Gretel
Bernhard in Frei-Laubersheim, eine geborene Blos aus Albig, pflegt seit
Jahren die Verbindung zu ihren Verwandten in Brasilien. Sie und ihr
Mann Ph. Heinrich Bernhard schlossen sich einer Reisegruppe aus Sponheim
an, die mit 19 Personen im März 1998 die Verwandten in Sao Lourenco
(Brasilien) besuchten.
1851 ist Jakob Knobloch (geb. 1804) mit seiner Ehefrau Katharina geb. Gröhl (geb. 1805) nach den USA ausgewandert. Mit einem Nachfahren dieser Auswanderer, der sich sehr für seine Familiengeschichte interessierte, stand ich lange Jahre in einem regen Briefwechsel. Es war dies der inzwischen verstorbene Prof. Dr. Wilhelm Knobloch, der im Staate Michigan lebte. Er hat – so wie ich dies auch von Verwandten anderer Auswanderer gehört habe, ein Buch über das Schicksal der Immigranten mit einem Namensregister der gesamten Sippe erstellt. Fertiggebracht hat er es auch, an die Passagierliste zu kommen, aus der hervorgeht, dass die Familie Knobloch am 21. April 1851 von Le Havre aus mit dem Schiff „Splendid“ nach New York abgefahren ist. Mit auf dem Schiff waren noch weitere Albiger, z.B. eine Familie Strubel mit sieben Personen. Nach der Passagierliste waren insgesamt 143 Personen an Bord. Als Beruf der Männer ist dabei ausnahmslos „Farmer“ - also Landwirt oder Ackermann – angegeben.
Die Familie Walter Koch hat seit Jahren recht enge und herzliche Beziehungen zu den Verwandten in den USA, die auch heute noch den Namen Koch tragen. Ein John Koch aus Evansville (Staat Indiana) war schon mehrfach in Albig, in der Heimat seiner Vorfahren. Vielleicht hat der eine oder andere diesen munteren und aufgeschlossenen 70er beim Wein- und Sonnenblumenfest kennengelernt. Er ist der Inhaber eines bedeutenden Ingenieur-Unternehmens und spricht gutes Deutsch. Die Albiger Familie Walter Koch hat die Familie Koch in den USA ebenfalls schon besucht und konnte dabei auch den amerikanischen Walter Koch begrüßen. Es ist selbstverständlich, dass in Evansville Wein aus der guten alten Heimat getrunken und geschätzt wird.
Dem Georg Mertens (geb. 1834) wurde 1852 die Erlaubnis erteilt, „nach Amerika überzuziehen und sich daselbst niederzulassen“. Er war 18 Jahre alt, als ihm die Entlassung aus dem Grossherzoglichen Staatsverband ausgesprochen wurde. Dieser Georg Mertens ist nach dem Verzeichnis der Gemeinde zusammen mit dem ebenfalls 18 Jahre alten Jakob Decker ausgewandert und zwar am 17. März 1852. Der Auswanderer Georg Mertens, der zu der ehemals in Albig stark vertretenen Familie Mertens gehörte, ist – wie ich bei meinen eigenen Familienforschungen festgestellt habe – ein Verwandter meiner Frau. Dieser Tatsache verdanke ich, dass ich im Besitz eines Bildes aus dem Jahr 1924 von den Kindern des Georg Mertens bin.
Die Geschwister Johann Trautwein (geb. 1862) und Magdalena Trautwein (geb. 1871) wanderten 1887 nach den USA aus und zwar nach Evansville (Indiana), zu der verwandten Familie Daniel Heilmann aus Bermersheim. Ihnen war das Glück nicht holt. Johann Trautwein verstarb bereits mit 31 Jahren und Magdalena Trautwein mit 24 Jahren. Beide Auswanderer waren die Geschwister des Großvaters von Lena Martin geb. Trautwein (geb. 1918). Recht interessant ist das Bild das die jungen Leute nach ihrer Ankunft in Amerika machen ließen und nach Albig schickten.
Im Jahre 1986 interessierte
sich ein Amerikaner Georg Weintz für seine Vorfahren aus Albig. Dieser
Georg Weintz muss nach den Angaben einer Schweizer Bank, die er mit den
Nachforschungen beauftragt hatte, damals ein bedeutender Mann in einem
Flugzeugunternehmen in Californien gewesen sein. Er hatte geplant, zu
Vorträgen in die Schweiz zu kommen. Der damalige Bürgermeister Georg
Herr hatte ihn eingeladen. Wegen der unsicheren Verhältnisse im
Flugverkehr – ausgelöst durch die kritischen Verhältnisse im Iran –
sagte er seinen Europa-Trip jedoch leider ab.
Aus
Anfragen bei der evangelischen Kirchengemeinde in Sachen
Familienforschung sind mir weitere Auswandererfamilien bekannt geworden:
z.B. Guckes, Schollenberger, Stellwagen, Strubel
Es bestehen wohl noch andere Verbindungen zwischen Albiger Bürgern und den Nachkommen von Auswanderern in den USA, die vielleicht nur nicht über den Kreis der Familie hinaus bekannt wurden.
Ganz allgemein kann man sicherlich dem zustimmen, was in einem Geleitwort zu dem Buch über „Süd-West-Deutsche Auswanderungen nach Amerika“ gesagt ist:
Es führt und greifbar vor Augen, dass Amerikaner und
Deutsche weit mehr verbindet als ein so hohes Ziel, wie die Bewahrung
der Freiheit und Demokratie in der westlichen Welt. Die
dreihundertjährige Geschichte Deutscher Einwanderung in die „Neue Welt“
zeigt uns, dass beide Nationen in großen Teilen ihrer jeweiligen
Bevölkerung buchstäblich miteinander verwandt sind.“
Dass unsere Weinbaugemeinde Albig dabei keine Ausnahme macht, können wir aus meinen Ausführungen erkennen.
Quellenverzeichnis:
Gemeindearchiv, Archiv der Kirchengemeinde, Unterlagen der Fam. Bernhard, Frei-Laubersheim
300 Jahre Pfälzer in Amerika, Pfälzische Verlagsanstalt Landau Pfalz, 1983
Aufbruch nach Amerika J.B. Metzlersche Verl. Buchhandlung, Stuttgart 1989
150 Jahre Landkreis Alzey-Worms, 1985
Festschrift der Gemeinde Albig, 1967