Albiger Backesgrumbeere*

Die Geschichte eines klassisch rheinhessischen Gerichts

Zutaten für die Albiger Backesgrumbeere

*Backes = Backhaus, Grumbeere = Kartoffeln

In früheren Zeiten war Albig geprägt von Landwirtschaft und Weinbau. Die Menschen mussten sich von den Lebensmitteln ernähren, die sie selbst produzierten. Die Grumbeere  = Kartoffeln wurden auf den eigenen Feldern oder Gärten geerntet und für den Winter im Keller gelagert. Die Haustierhaltung  und -schlachtung war obligatorisch und so stand auch das Fleisch im Haushalt zur Verfügung. Konserviert wurde das Schweinefleisch in einem irdenen Großgefäß (Stenner) mittels Salzlake oder es wurde geräuchert. Wein und die auf Milch basierenden Lebensmittel waren ebenfalls immer verfügbar. Wegen der früher üblichen großen körperlichen Belastungen in der Arbeitswelt waren die Menschen auf gehaltvolles und kräftigendes Essen angewiesen.

Ausgeprägter Fleiß und großer Sachverstand in den Bereichen Ackerbau und Viehzucht haben von jeher die Albiger ausgezeichnet. Begünstigt durch beste Böden in der Gemarkung wurden so überaus qualitätsvolle Kartoffeln erzeugt und die Qualität wurde über die Fütterung auch auf die Hausschweine übertragen, was wiederum zu besten Fleischqualitäten führte. Dazu kamen die hervorragenden Kochkenntnisse der Hausfrauen.

All dies traf auf eine Bevölkerung, die Weinbau, Weingenuss und gutes Essen schon immer als besondere kulturelle Leistung einstufte und begriff. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert und ist als eine der Albiger Konstanten anzusehen. Beim alljährlichen Wein- und Sonnenblumenfest steht dieses Wissen um kulturelle Errungenschaften auch heute noch im Mittelpunkt des Festgeschehens und so ist es folgerichtig, dass zu diesem Fest auch Backesgrumbeere auf dem Speiseplan stehen.

Grumbeere und Schweinefleisch bildeten schon immer die Grundlage für das deftige und durch die Weinzugabe auch sehr schmackhafte Gericht, das von Albig aus seinen Siegeszug auch in die umliegenden Ortschaften antrat. Da bis auf Kartoffeln und Wein immer Variationen mit den Fleischzutaten möglich waren und auch hausfrauliche Vorlieben beim Würzen und der Verwendung weiterer Zutaten einfließen konnten, gibt es vielfältige  Ab-wandlungen in der Feinrezeptur und es konnten sich ausgehend vom Albiger Original auch in anderen Ortschaften eigenständige  Rezepturen entwickeln und bis heute festigen. Da heute mehr auf die Linie geachtet wird, gibt es auch in Albig mittlerweile Abwandlungen von der ursprünglichen Zutatenliste und man verwendet „edleres“ Fleisch. Die früher beliebten „Hesjer“ = Schweinfüße sind nur noch selten auf der Zutatenliste. Auch fettreiche Milch-produkte z.B. Sahne werden zurückhalten verwendet.

Typisch für Albig ist der Samstag als Backesgrumbeer-Tag. Das war früher so und so halten wir es bis heute. Die Erhaltung gelebter Traditionen ist den Menschen hier sehr wichtig.

Am Samstagvormittag wurden die Kartoffeln geschält, das Fleisch vorbereitet, die Zutaten bereitgestellt und die Mahlzeit von der Hausfrau in den Topf geschichtet. Am späten Vormittag wurde der Topf dann zum Bäcker gebracht und zur klaren Zuordnung und zur Vermeidung von Verwechslungen mit einem Zettel oder bunten Band am Henkel versehen. Gegart wurden die Backesgrumbeere in Metalltöpfen (Brätern) in der Resthitze der Backöfen der örtlichen Bäckereien Willi Rathgeber und Heinrich Görz.  Mit dem „Schiesser“ verfrachtete der Bäcker die Töpfe in die Hitze des Backofens und mit diesem Arbeitsgerät wurden sie dann später wieder aus der Tiefe des Ofens herausgeholt.

Gegen 17 Uhr wurden meist die Kinder oder Jugendlichen geschickt, um die Backes-grumbeer-Töpfe heimzuholen. Im ganzen Dorf roch es dann herrlich nach dem Duft der Spezialität und in Erwartung der nahen schmackhaften Mahlzeit lief einem „das Wasser im Mund zusammen“. Besonders die Abholer konnten während des Nachhauseweges natürlich der Versuchung erster Kostproben nicht widerstehen und „pflückten“ sich schon mal einige Kreschtcher aus dem Topf. Begleitet von dem „Duft zum Sonntag“ wurden die Abholer mit ihrer Fracht dann zwar meist ob ihrer Fresssucht kritisiert, aber immer auch freudig und hungrig zu Hause erwartet. Serviert wurde dann direkt und unverzüglich.

So sind bis heute die  Backesgrumbeere, auch wenn sie jetzt zu Hause zubereitet und gegart werden, eine Belohnung für eine zurückliegende arbeitsreiche Woche und ein schmackhafter  Start in den wöchentlichen Feiertag, den Sonntag. Auch kann man zusammenfassend sagen, mit den Albiger Backesgrumbeere wird jedes Mal ein kleines „Erntedankfest“ gefeiert und was gibt es Schöneres als sich an Gottes Gaben zu erfreuen. Zusammen in der Familie oder im Freundeskreis genossen, stärkt das gemeinsame Mahl nicht nur Körper und Geist sondern auch die Gemeinschaft und wie von selbst stellt sich  auch die typisch rheinhessische Lebensfreude ein.


Albiger Backesgrumbeere - Backeskartoffeln

Rezept für 8 Personen (nach Ute Trautwein)

Zutatenliste:

  • 5  kg Grumbeere = Kartoffeln
  • 900 g Schweinefleisch (Kammstück)
  • 700 g gesalzenes Bauchläppchen 
  • 8 geräucherte Bratwürste 
  • 5 Lorbeerblätter
  • 2-3 Zwiebeln (je nach Größe)
  • 1 Liter rheinhessischer Weißwein (Trocken) 
  • 3 Tassen Wasser
  • 1 Becher saure Sahne (200 g)
  • 1 Becher Creme fraiche (200 g)
  • Pfeffer, Salz     

Backesgrumbeere

Zubereitung:

Ein großer (gusseiserner) 11,5 Liter fassender Bräter (Topf) wird zunächst bis zu einem Drittel mit den geschälten und gewürfelten Kartoffeln gefüllt. Darauf kommen dann die Fleischstücke und die Bratwürste. Auf das Fleisch werden die in Ringe geschnittenen Zwiebeln und die Lorbeerblätter verteilt. 

Das Ganze wird mit frisch gemahlenem Pfeffer und Salz gewürzt. Mit den verbliebenen Kartoffelstücken wird der Topf aufgefüllt, bis Fleisch und Würste komplett abgedeckt sind. Dann nochmals mit Pfeffer und Salz nachwürzen.

Die für den Garungsprozess notwendige Flüssigkeit aus drei Tassen Wasser und einem Liter trockenen Albiger Weißwein über die Topffüllung gießen. Nun werden je ein Becher saure Sahne und Creme fraiche verrührt und die äußerste Kartoffellage damit bestrichen. Der Bräter (Topf) mit Inhalt muss dann drei Stunden bei 230 bis 250 Grad im Backofen ohne Deckel garen. Den Topf auf die 1. Schiene im Backofen stellen.

Servierte Backesgrumbeere

Wer es mag, kann nach einer Stunde etwas gemahlenen Zimt auf die Kartoffeln streuen. Die Kruste (Kreschtcher) wird dann pikanter. Wer nur am Rand braun gebrannte Kreschtcher mag, muss den Topf mit einem Deckel mit kleinerem Durchmesser abdecken. Serviert wird aus dem Topf direkt am Tisch. Das Fleisch und die Würste  auf einer Platte in Portionen schneiden und je nach Vorliebe der einzelnen Gäste auf die Teller verteilen.

Weinempfehlung zum Essen: Rheinhessen-Silvaner „Classic“ aus Albig!

Als Beilage passt grüner Salat, Feldsalat, Endivien oder Karottensalat. Ein Glas Rheinhessensekt eignet sich sehr gut als Aperitif und nach dem Essen ist ein Tresterbrand (Rheinhessen-Grappa) zu empfehlen.

Backesgrumbeere und Beilagen