Das Stein-Kreuz an der „Rot Brick“ in Albig und die Grand Route Imperiale Paris-Mainz

28. Jan 2021

Günther Trautwein, im Januar 2021

Stein-Kreuz an der „Rot Brick“ in Albig

Inschriften auf dem Kreuz:
PAX
Wappen der Familie Ebling

Werner Ebling geb. 22.06.1938 gest.: 5. 12.1965

Oft werden Geschehnisse, Erlebnisse oder Vorkommnisse von Zeitzeugen leider nicht dokumentiert, in der meist falschen Annahme, dass eine wahrheitsgemäße Weitergabe von Informationen an nächste Generationen schon funktionieren werde. Dieser Annahme will ich nicht verfallen und eine Episode aus der Anfangszeit meiner Tätigkeit als Ortsbürgermeister von Albig dokumentieren.

Die Geschichte mit dem Kreuz aus Sandstein begann im Frühjahr 1993 mit dem Anruf eines, wie er sich titulierte, „Eremiten aus der Schweiz“. Er nannte keinen Namen (tat das auch nicht auf mehrfache Bitte) und erkundigte sich nach der im Volksmund sog. „Rot Brick“ in der Gemarkung Albig. Seinem Tonfall und der exakten Ortskenntnis war zu entnehmen, dass es sich bei dem Anrufer um einen Mann aus der Region handeln musste. Es ist sicher nachvollziehbar, dass der Beginn des Telefonats mein Interesse weckte, denn die Bezeichnung „Rot Brick“ ist zumindest bei den etwas älteren Albigern noch ein stehender Begriff. Aber dazu später mehr.

Dann erzählte der „Eremit“ die Geschichte von seinem am 5. Dezember 1965 mit dem Motorrad an der „Rot Brick“ tödlich verunglückten Bruder Werner und er nun als betagter Mensch vor seinem eigenen Ableben gerne ein Denkmal für seinen verunfallten Bruder aus Framersheim errichten möchte. Danach beendete er das Telefonat.

Obwohl der Eremit keinen Namen nannte, war es mir mit der Nennung des Vornamens des Verunglückten und dessen Wohnort möglich, ein paar Erkundigungen einzuholen. Der damalige Bürgermeister von Framersheim, Frank Zink bestätigte mir, dass es einen Werner Ebling in Framersheim gegeben hat und ein Bruder in der Schweiz lebe.

Einige Tage später meldete sich der „Eremit“ wieder per Telefon und fragte nach, ob die Errichtung eines Steinkreuzes im Bereich der Unfallstelle „Rot Brick“ möglich sei. Dies sei grundsätzlich auf einem Randstreifen eines Wirtschaftsweges und der Bahnlinie möglich, so meine Antwort. Eine Kostenübernahme oder- Beteiligung für die Schaffung und Errichtung des Kreuzes durch die Gemeinde könne jedoch nicht erfolgen. Auf eine schriftliche Vereinbarung wollte sich der „Eremit“ nicht einlassen, auch eine Angabe einer Adresse und einer Telefonnummer verweigerte der Anrufer aus der Schweiz. In dem Telefonat trat deutlich zutage, dass der alte Herr, der „Eremit“, einen pietistischen Ansatz von Frömmigkeit pflegte und wohl auch danach lebte. Von dem „Eremiten“ hörte ich danach erst mal nichts mehr.

Alles in allem erschien mir die Bitte nach Errichtung des Kreuzes jedoch glaubhaft und ohne Wagnis für die Gemeinde. Auch Behinderungen für den landwirtschaftlichen Verkehr oder die Unterhaltung des Weges waren an dieser Stelle nicht zu erwarten.

Einige Wochen später meldete sich ein Rechtsanwalt aus der Schweiz und fragte nach, ob die Zusage der Gemeinde noch bestehe. Er erklärte, dass ein Steinmetz beauftragt und bezahlt sei, ein etwa 1,5 Meter hohes barockisiertes Steinkreuz an der von mir zu bezeichneten Stelle zu errichten. Ich solle die Stelle kennzeichnen, alles andere würde von dem Steinmetz geregelt.

Im Herbst bemerkte ich dann bei einer Vorbeifahrt, dass das Kreuz errichtet war. Sein Ende fand der Vorgang dann vor Weihnachten mit der Übersendung einer Bronzemünze mit einem Kreuzigungs-motiv und einem Buch mit religiösem Thema an meine Adresse.

So ist das Steinkreuz an der „Rot Brick“ zu einem Bestandteil der Albiger Gemarkung geworden und genießt seit nunmehr über 27 Jahren Bestandsschutz. Durch seine etwas verdeckte, abgelegene Lage ist es auch bis heute glücklicherweise nicht zu Beschädigungen an dem Kreuz gekommen. Hoffen wir, dass es so bleibt.

Die „Grand Route Imperiale Paris-Mainz und die Rot– Brick – Rote Brücke in Albig

In den nachstehend abgebildeten Aufsätzen ist kurz der Bau und die Geschichte der Grand Route Imperiale beschrieben. Die Straße ( B 40, B 271 und heute L 401), im Albiger Volksmund früher Pariser Chaussee genannt, tangierte die Ortslage und verlief durch die Gemarkung in Richtung Wörrstadt-Mainz.

1870 wurde die Hessische Ludwigsbahn als Rheinhessenbahn zwischen Alzey und Bingen gebaut und am 18.12.1871 wurde die Hessische Ludwigsbahn Mainz-Alzey eröffnet. Mit dem Bau der Eisenbahnen ergab sich in der Gemarkung Albig eine Kreuzungssituation zwischen der Pariser Chaussee und den Bahnlinien. Da man Bahnlinien möglichst mit wenig Gefälle baute, unterkreuzte aufgrund der Topografie die Bahnlinie in der Albiger Gemarkung die Straße. Als Folge musste hier eine Brücke für die Straße errichtet werden. Die Brücke wurde aus rotem Sandstein gebaut.

Zu dieser Zeit bestand der Verkehr aus langsam fahrenden Gespannen die mit Pferden oder auch Kühen gezogen wurden und die Handels- oder Militärgüter transportierten. Um das Brücken-bauwerk kostengünstig und ohne besondere statische Anforderungen errichten zu können, wählte man die kürzeste Möglichkeit, die Kreuzung im rechten Winkel. Weder der Belag mit bei Nässe ruschigem Basaltpflaster, noch die sich aus der 90 Gradführung ergebende Kurvensituation waren bei der damals möglichen Geschwindigkeit ein Problem. Das erwies sich in starkem Maße nach dem Zweiten Weltkrieg mit zunehmender Motorisierung äußerst problematisch. Dunkelheit, regnerisches Wetter und die hohe Geschwindigkeit von Motorrädern und Automobilen führte dazu, dass die Brücke ein Unfallschwerpunkt mit vielen Verkehrstoten und Verletzten wurde.

Ob sich daraus oder durch das verwendete rote Steinmaterial im Volksmund der Name „Rot Brick = Rote Brücke“ ableitete ist heute nicht mehr zu belegen. Gleichwohl waren Brücke und Vorkommnisse offenbar so prägend, dass eine inoffizielle Gemarkungsbezeichnung „Rot Brick“ unterhalb des Hundskopfs entstand und der frühere Unfallschwerpunkt bis heute im öffentlichen Bewusstsein blieb. 1954 wurde die alte Brücke abgetragen und durch eine moderne Beton-Stahlbrücke über die Bahnlinien ersetzt. Dabei wurde auch der Straßenverlauf begradigt und der Unfallschwerpunkt damit beseitigt. Die Umstände die 1965 zum tödlichen Unfall des Herrn Ebling führten sind leider nicht bekannt.

Auf dem Messtischblatt des Großherzoglichen-Hessischen Katasteramts (Ausgabe 1902-1907) ist die Straßen-Brückensitiation deutlich erkennbar ** >>>>>

Die Karte kostete damals 2,90 Reichsmark

Messtischblatt des Großherzoglichen-Hessischen Katasteramts (Ausgabe 1902-1907)

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Das Stein-Kreuz an der „Rot Brick“ in Albig und die Grand Route Imperiale Paris-Mainz
Das Stein-Kreuz an der „Rot Brick“ in Albig und die Grand Route Imperiale Paris-Mainz
Das Stein-Kreuz an der „Rot Brick“ in Albig und die Grand Route Imperiale Paris-Mainz