Ehemaliger Salhof in Albig

05. Okt 2021

Von den Unterlagen aus meiner Amtszeit als Ortsbürgermeister (1992 – 2019), ist die nachstehende Dokumentation von Hermann Schollenberger sicher von großem geschichtlichem Interesse für unsere Gemeinde Albig. Deshalb soll sie nicht weiter im Verborgenen bleiben.

Günther Trautwein, im Oktober 2021


Im Jahr 1996 gab es Bestrebungen die Nebenstraße „Saalgäßchen“, im Interesse einer ein-deutigeren Definition der dahinterliegenden Geschichte der Namensgebung, in „Im Saal“ umzubenennen. Der Albiger Heimatkundige Hermann Schollenberger, selbst wohnhaft im Saalgäßchen 4, hat dazu am 7. November 1996 die nachstehende Begründung und Dokumentation geliefert.

Plan des ehemaligen Salhofes in Albig ab dem Bebauungsjahr von 1753

Die Begründung für die Umbenennung ist von Hermann Schollenberger handschriftlich verfasst. Zur besseren Lesbarkeit wird sie nachstehend als Fließtext in PC-Schrift wiedergegeben.

Die Begründung für die Umbenennung ist von Hermann Schollenberger handschriftlich verfasst

Der Begriff “Saal“ ursprünglich mit einem „a“ = Sal geschrieben kommt aus dem althochdeutschen und bedeutet „Salhof“ = Herrenhof. Der Salhof war ein landwirtschaftlich bewirtschaftetes Hofgut im Besitz des Fiskus, also der öffentlichen Hand, das war zu dieser Zeit der König. Heute würde man sagen: eine Staatsdomäne.

Da im frühen Mittelalter zur Zeit der fränkischen Könige und auch noch später eine feste Hauptstadt unbekannt war, reisten die Herrscher mit ihrem Hofstaat durch ihr Reich, um in den königlichen Pfalzen (Pfalz kommt von lateinisch Palatins = Palast), wie z.B. in unserer näheren Umgebung Ingelheim, Mainz, Worms und Speyer Hof zu halten und Recht zu sprechen. Der König mit seiner Hofhaltung benötigte zu diesen Tagen oder auch Monaten beträchtliche Mengen an Lebensmittel, Stroh, Heu und anderen notwendigen Gütern. Um diesen Bedarf zu decken, gab es auf den umliegenden Dörfern und in den Städten die bewirtschafteten Salhöfe. Diese mussten die benötigten Güter aufbringen und an die Pfalzen liefern. Der Hofbeamte der unter anderen Aufgaben die Versorgungen zu koordinieren hatte, war der „comes palatinus“, der Pfalzgraf. Dies ist der Ursprung des Pfalzgrafentitels. Später besaßen sie eigene Hoheitsgebiete und daher kommt auch der heutige Name „die Pfalz“.

Die Salhöfe waren Reichsgut, das zur Zeit der fränkischen Eroberungen aus dem römischen Fiskalbesitz entstand, welchen die fränkischen Könige an sich zogen und zum Teil damit verdienstvolle Herren und Hofleute belehnten. Möglicherweise waren die Herren „von Albig“ bereits mit dem Salhof belehnt. Wahrscheinlich ist der ursprüngliche Salhof sogar die Kernzelle des fränkischen Albig.

Die damaligen Salhöfe sind alle verschwunden und nur noch anhand von Urkunden oder Straßen- und Lagenamen zu belegen. Der heutige Obermarkt in Alzey war bis ins späte Mittelalter „der Salhof“, die Freiherrn von Heppenheim, die über Generationen den Alzeyer Salhof be“saßen“, nannten sich sogar: Heppenheim vom Saal“.

Sowohl in Wiesbaden als auch in Frankfurt gibt es noch heute eine Saalgasse. In Wendelsheim heißt ein Ortsteil „auf dem Saal“. In Ingelheim heißt der ehemalige Palastbezirk noch heute „im Saal“ und die Kirche „die Saalkirche“. Damit ist die Lage der ehemaligen Salhöfe durch die Jahrhunderte festgehalten worden. Im Namen der Korbmacherweide, die auch „Salweide“ botanisch „Salix“ heißt, ist ebenfalls der Wortteil „Sal“ enthalten, da sie meist in unmittelbarer Nähe der Höfe gepflanzt wurden. Die Salweide hatte im Mittelalter große Bedeutung, denn sie wurde notwendig gebraucht zur Herstellung von Körben, Werkzeugstielen und als Geflecht für den Hausbau in Fachwerklehmbau.

Im Weistum der Gemeinde Albig von 1577 (das alte Wort Weistum kommt von wissen und weisen = zeigen und bedeutet, das was Bürger und Rat zu wissen haben und zeigt das gesamte Wissen über die dörfliche Rechtspflege auf, es war die Grundlage des Dorfrechts) steht folgende Passage: weissen (d.h. zu wissen über) die Bannzäune „im Saal“ die sollen gemacht werden mit zwei Banden und zu gelegener, gebräuchlicher Zeit wie die anderen (Bannzäune) mit Fleiß besichtigt werden, es geht ein Riegel (d.h. ein Durchlaß) zwischen Friedrich Fischers Stall und Hans Bayers Garten in gemeldeten Saal, der soll alle Jahre besichtigt werden ….usw. Die Bannzäune waren Gatter aus Holzstecken oder gerissenen Pfählen, die oben und unten mit Weiden gebunden (= 2 Banden) d.h. verpflochten wurden. Auf alten Gemälden und Stichen kann man diese Art von Zäunen noch sehen.

Das Dorf Albig war mit Wall, doppelten Gräben und Hecken, dem sog Gehau und gemauerten Torhäusern abgesichert. Innerhalb dieses Wehrsystems war der „Saal“ zusätzlich noch mit festen Zäunen eingefriedet, ursprünglich als herrschaftlicher Rechtsbezirk.

Der „Saal“ wurde im Norden und Osten durch den Heimersheimer Bach, der eigentlich Engbach heißt, im Süden durch den Goldbach und im Westen durch die heutige Saalgasse begrenzt. Das sind heute außer der Saalgasse, die Reilchen „Backesgäßchen“ und „kleine Hintergasse“. Wie man aus beiliegendem Lageplan ersieht, waren die heutigen Anwesen von Werner Freund und Johannes Schneider auf zwei Seiten von den Armen des Goldbaches umflossen, der zweite Arm fließt heute noch im Untergrund. Deshalb nehme ich an, daß auf dieser durch den Goldbach gebildeten „Insel“ das eigentliche Hofhaus des Salhofes, sicher noch kein Steinbau stand, zumal die kleine Hintergasse noch 1753 nur bis zu dem südlichen Goldbacharm ging. Es war der direkte Weg von der Alzeyer Pforte zum Hofhaus. Durch die Alzeyer Pforte ging die einzige Straße von Alzey (der „alte Weg“ oder die „Landstross“ genannt). Die Pariser Chaussee wurde erst im 19. Jahrhundert unter Napoleon gebaut!

Auf den anderen Grundstücken in Richtung Saalgasse befanden sich ein Weiher und wahrscheinlich die Wirtschaftsgebäude, zu denen die Saalgasse die Zufahrt war. Da diese Häuser in der frühen Zeit aus Fachwerk mit Lehmfüllung bestanden, sind sie spurlos vergangen und unter der heutigen Bebauung verschwunden.

Die heutigen Häuser im Saal, sowie die Anwesen Freund und Schneider wurden erst im 18. bzw. 19. Jahrhundert erbaut. Das Areal des ehemaligen Salhofes war bis zu dieser Zeit nicht mehr bebaut worden!

Man kann sich nur wundern, dass sich über die Jahrhunderte der Name „Saal“ erhalten hat, obwohl der Salhof selbst sicher bereits im Mittelalter untergegangen ist. Aus diesm Grund sollten wir die Überlieferung weiter-führen und die alte Bezeichnung „IM SAAL“ wieder aufnehmen und erhalten.

Albig, im Saal, 7.11.1996  Hermann Schollenberger

Albig, im Saal, 7.11.1996 Hermann Schollenberger


P.S. Die Umbenennung von „Saalgäßchen“ zu „Im Saal“ hat nicht stattgefunden. Im Gemeinderat gab es dazu keine eindeutige Meinung.


Aktuelle Hinzufügungen von Günther Trautwein, die nicht Teil des Antrages von 1996 waren.

So sah der beschriebene Bezirk Anfang des 19. Jahrhundert aus
So sah der beschriebene Bezirk Anfang des 19. Jahrhundert aus
Heutige Straßen- und Parzellenkarte
Heutige Straßen- und Parzellenkarte